Mittwoch, 23. Dezember 2009

Heute vor...

...drei Jahren saß ich noch in der berühmt-berüchtigten Wohngemeinschaft in Darmstadt-Arheilgen. Eigentlich wollte ich schon zur Familie gefahren sein, aber da mich - gezwungenermaßen - noch einiges an Aufräumarbeit erwartete, beschloß ich die letzten Weizenbiervorräte zu vernichten und etwas Schach im Internet zu spielen.

Einige Wochen zuvor hatte Kramnik einen Wettkampf gegen den brandneuen Deep Fritz 10 verloren und Chessbase bot auf dem hauseigenen Server schach.de an, gegen eben dieses Programm mit den Einstellungen und Datenbanken des Wettkampfs spielen zu dürfen. Ein bisschen wurde die mögliche Gegnerschaft eingeschränkt durch die Vorgaben, die ein Spieler zu erfüllen hatte. Entweder ein Titel im realen Schach oder ein entsprechend hoher Rang auf der Oberfläche sollten es schon sein, zudem sollte niemand mehr als zwei Partien am Stück spielen dürfen.

Mir fehlte damals noch der FM-Titel und auch meine Wertungszahlen im Internet waren weit abgesackt, so dass ich normalerweise an diesem Tag gar nicht gegen die Maschine hätte antreten dürfen, die bisher noch von keinem Mensch geschlagen worden war. Da aber gerade niemand sonst die Herausforderung suchte, gestattete mir der Bediener eine Partie, 20 Minuten ohne Zeitbonifikationen. Einige Tage zuvor hatte ich schon zwei Partien mit 30 Minuten Bedenkzeit völlig chancenlos verloren.

Aber dieses Mal sollte unglaubliches passieren. Eine detaillierte Analyse möchte ich gar nicht erst wagen, aber ein wenig sei doch erklärt, was auf dem Brett vor sich ging. Mit Weiss spielend versuchte ich einen interessanten Aufbau gegen den Benoni ohne ihn zu verstehen und stand schnell schlechter. Mein 'Gegner' verfiel dann auf den fast schon stereotypen Plan, einen gar nicht sonderlich wichtigen Bauern zu schlagen, was mir Angriffschancen eröffnete. Als dann auch die Engine die Drohungen erkannte, war es zu spät und er/sie/es musste viel Material geben, um das Matt zu verhindern.

Die ganze Sache hatte noch ein unschönes Nachspiel, das ich aber verschweigen möchte, stattdessen die Partie zum Nachklicken:

5 Kommentare:

  1. Ah, jetzt weiß ich endlich, wie Claus Carstens immer seine Computerpartien zustande bringt. Er dopt sich mit Hefeweizen...

    Du hast übrigens wohl wirklich einen der schwachen Punkte der Engine erwischt. Langfristiger Angriff, dessen Konsequenzen nicht innerhalb des Rechenhorizonts zu klären sind.

    Das scheint mir einer der Fälle zu sein, in denen die Bewertungsfunktion die Kompensation nicht erkennen kann. Ich kann mir auch schon denken wie: Zwei Mehrfreibauern, die zudem noch verbundene Freibauern sind, ergaben unter dem Strich mit Sicherheit mehr Bauerneinheiten, als das, was die statische Analyse der Königssicherheit an Abzügen ergeben hat...

    Ich bin mir sicher, dass CC systematisch nach genau solchen Schwächen sucht. Für Leute wie Kramnik, die ein 8-Partien-Match gegen die Maschine spielen, ist so ein Ansatz natürlich nichts - er ist viel zu riskant (-:

    Nice Game...

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  2. Auch kein Wort zu dem "unschönen Nachspiel" in den Kommentaren auf Nachfrage?

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  3. In kurzen Worten: Man hat mich bezichtigt, mit Hilfe der Engine Junior betrogen zu haben. Hab ich nicht. Offenbar passte es da jemandem nicht, dass ein kleiner Unbekannter als erster die beste Schachsoftware bezwingt und nicht ein bekannter Großmeister im x-ten Versuch.

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  4. Na ja, so "unmenschlich" fand ich die weissen Züge jetzt nicht...

    Ist Engine Junior denn stärker als Deep Fritz 10?

    Ich vermute auch mal, dass Deep Fritz in Deiner Partie auch nicht die Hardwareunterstützung hatte, die ihm gegen Kramnk zur Verfügung stand (und somit schwächer war als im Wettkampf).

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  5. Es sollten schon die gleiche bzw. vergleichbar gute Hardware und auch gleiche Datenbanken für Eröffnung und Endspiel gewesen sein.Darum ging es ja bei diesem Marketingtrick.

    Ob Junior stärker als Deep Fritz 10 ist, kann ich nicht sagen, wage es jedoch zu bezweifeln.

    Allein die Argumentation (sinngemäß) "Mehr als soundsoviel Prozent deiner Züge waren unter den ersten drei Zugvorschlägen von Junior" ist hanebüchen. Diese Aussage trifft auf auf einen sehr hohen Prozentsatz von Partien ab einer gewissen Spielstärke zu.

    Ich hatte viel Glück, denn den Bauern b2 habe ich eingestellt, nicht geopfert. Danach war mein Angriff die einzige Chance und die ganze Kraft habe ich auch erst realisiert, als Schwarz auf d6 Material zurückgab.
    Insofern hat Revilo schon recht, dass ich eine typische Computerschwäche ausgenutzt habe.Allerdings nicht bewusst.

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