Mensch, bin ich vielleicht ein Glückspilz. Zumindest war ich das gestern. In Bickenbach habe ich Schnellschach gespielt. Zuerst mal muss erwähnt werden, dass es ein sehr schönes Ambiente in einem offenbar relativ neuen Jugendzentrum zu erleben gab. Dazu der passende Termin für Fastnachtsverweigerer und viel selbstgemachter Kuchen (von dem ich aber nichts gegessen habe, dem Vernehmen nach soll er gut gewesen sein). An den ersten Brettern standen Digitaluhren, Holzbretter und Holzfiguren zur Verfügung, aber auch am letzten Brett noch eine Garde-Uhr und sortierte, 'bessere' Plastikfiguren. Wenn man dann noch ein relativ geringes Startgeld von nur 5 Euro bezahlt, kann ich das Turnier nur empfehlen. 47 Schachfreunde fanden trotz des Wetters den Weg. Als ich dann die Setzliste sah, machte ich mir schon leise Hoffnungen trotz mangelnder Schnellschachpraxis vielleicht einen der drei Hauptpreise mit nach Hause nehmen zu dürfen. Da stand an der Spitze IM Boidman und direkt dahinter mein Name. Allerdings direkt gefolgt von einigen sehr ernstzunehmenden Kontrahenten. Und was soll diese Überschrift hier? Das ist nach Schilderung des Turnierverlaufs sicher jedem klar:
Runde 1: Schwarz gegen Torsten Beyertt (DWZ 1653).
Nach einem ruhigen Aufbau stellte mein Gegner einen Bauern kompensationslos ein. Im untenstehenden Endspiel verfiel ich auf 1...Tcb6?, was nach 2. Taxa4! einfach einen Bauern kostet. Mit viel gütiger Mithilfe (das Turmendspiel war später noch leicht Remis zu halten) konnte ich doch noch gewinnen.
Runde 2: Weiß gegen Torsten Warnk (1787).
Die erste Halbzeit dieser Partie lief fast wie nach Wunsch. Ich erspielte mir positionellen Vorteil, zu dem sich ein Mehrbauer gesellte. Dann verplemperte ich viel Zeit, um meine Königsstellung zu schwächen und den Mehrbauern wieder einzustellen und geriet bei knapper Zeit in ein schlechteres Doppelturmendspiel (Diagramm unten). Doch - welch glückliche Fügung! - hier fand er das hübsche 1...g5?? und nach 2. Th2+ entfuhr ihm ein 'Ich Patzer!', denn nach 2...Kg6 3.Taxh7 lässt sich das Matt nicht mehr decken...
Runde 3: Schwarz gegen Lokalmatador Ralf Horlebein (1817).
Eine relativ ruhige Reti-Partie, in der ich lange Zeit um einen kleinen Vorteil kämpfte. Erst im Endspiel zeichnete sich so etwas wie eine optische Überlegenheit ab, aber objektiv war die Stellung immer noch ausgeglichen. So bot er denn (gerechtfertigt) Remis bei etwa 3 gegen 5 Minuten und noch einmal mit jeweils weniger als einer Minute Restbedenkzeit. Just zum Zeitpunkt, da beide nur noch Sekunden auf der Uhr hatten, konnte ich aber endlich einen gewissen Vorteil reklamieren...und kurz darauf dann auch die Zeit meines Gegners, zu meinem Schutz sei betont: in klar besserer Stellung.
Runde 4: Weiß gegen Michael Schaefer (2146).
Duell der Theoriehengste in der alten Slawischen Hauptvariante. Vollkommen unkundig kamen wir über mehrere ungenaue Umwege zu dieser Stellung mit Weiß am Zug:
Taktikmonster Lather spielte hier 1.Sg5?, um nach 1...Txc1! erstmal dumm aus der Wäsche zu gucken. Durch beiderseitig konsequent ungenaues Spiel entstand eine Stellung, in der sich Schwarz nicht rühren kann, aber Weiß nicht weiterkommt, da er die schwarzen Figuren hemmen muss. Daher Remis durch Zugwiederholung. Für die Analysehungrigen hier noch kurz die nächsten paar Züge: 2. Taxc1 (Tfxc1) Dxg5 (Lxd3) 3.Db5 De7 (Ld2!) 4. Tc7 Td8 5. Dxb7 (Txb7!) a5 (La5!)...
Runde 5: Weiß gegen Berthold Engel (2136).
Die einzige Partie, an der ich nicht allzuviel auszusetzen habe. Gegen meinen Königsangriff verteidigte sich mein Gegner sehr findig und opferte die Qualität für einen Riesenspringer und einen Freibauern. Nachdem ich das Material zurückgegeben hatte, fanden wir uns in einem Endspiel mit jeweils noch Dame und einem Turm und offenen Königsstellungen, in dem sich keine Seite mehr rühren darf ohne Matt oder Dauerschach zu erleiden. Daher remis gegeben.
Runde 6: Schwarz gegen Dr. Mathias Uhl (1999).
Nachdem ich die Eröffnung völlig misshandelt hatte, stand ich nur noch mit dem Rücken zur Wand. Nach und nach lockerte mein Gegner aber meine Fesseln und schenkte mir dann prompt eine ganze Figur.
Runde 7: Weiß gegen Hans-Jürgen Zirwes (1835).
Die Krönung meines Turnierverlaufs. Nach der Eröffnung stand ich super, um dann einen enorm wichtigen Zentrumsbauern einzustellen. Eigentlich war die Stellung aufgabereif, aber im Schnellschach spielt man halt weiter. Dank einiger Bluffs und Tricks konnte ich mich zumindest formal im Spiel halten und als ich gerade wieder Licht am Ende des Tunnels in Form eines nahenden Turmendspiels mit Minusbauern und passablen Remischancen sah... da übersah mein Gegner ein Zwischenschach, das effektiv einen ganzen Turm kostete.
Das Ende vom Lied: Mit 6/7 war ich punktgleich mit IM Boidman, der in Runde 3 einen Turm eingestellt hatte und alle restlichen Partien gewann. Mit einem halben Buchholzpunkt Vorsprung darf ich mich sogar Turniersieger nennen. Und ein paar Euro gab es dafür auch noch ;-)
Lucky Lather!
Nachtrag: Hier ist die Endtabelle.
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Na, so muss das doch sein. Fitschel, Fitschel, Fatschel... und schon ist der Turniersieg da. Der einzige Wehrmutstropfen: Sich in der slawischen Tabiya (Topalov-Kramnik!) nicht auszukennen...
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